Alternativer Fankongress: Schulterschluss für einen fanfreundlichen Fußball

Fans von 15 verschiedenen Vereinen trafen sich in Linz, um über gemeinsame Anliegen, Probleme und zukünftige fanpolitische Strategien zu beraten. Trotz aller Rivalitäten herrschte auf der Gegenveranstaltung zum von Bundesliga und ÖFB organisierten Fankongress eine beachtliche Einigkeit. Das Fazit des alternativen Fankongress fällt sehr optimistisch aus: Die Fans wissen was sie wollen und werden geschlossen dafür kämpfen.

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Bundesliga und ÖFB, hört unser Schweigen!

Die organisierten Fanszenen stellen ab sofort jeglichen Kontakt mit der österreichischen Bundesliga und dem österreichischen Fußballbund ein. Insbesondere erkennen wir das „Komitee für Stadionverbote und Prävention“ nicht mehr an und werden dessen Entscheidungen ab sofort ignorieren.

 

In den letzten Jahren wurde die Kommunikation zwischen Fanvertretern und Liga intensiviert. Die Liga-Verantwortlichen organisierten Fan-Kongresse und luden mehrmals zu Gesprächen ein. Unserseits wurde die Dialogbereitschaft angenommen und auch wir selbst forcierten den direkten Weg zu den Funktionären. Uns war zwar stets bewusst, dass es für die Liga vor allem darum ging, die anstehenden Reformpläne zu legitimieren, dennoch wollten wir die damit verbundenen Chancen nicht ungenutzt lassen. Wir konnten unsere Anliegen darlegen und die Interessen der Fußballfans artikulieren. Dabei kommunizierten wir stets direkt, offen und ehrlich – immerhin wollen wir ernst genommen werden.

Die Fanszenen pochten bei diesen Gesprächen stets auf konkrete Vereinbarungen. Uns war es wichtig, dass die Ergebnisse im Nachhinein bewertet werden können.

Das haben wir gemacht, doch nach mehreren Jahren intensiver Kommunikation sehen wir derzeit keinen Sinn mehr, diesen Weg weiter zu gehen. Die zentralen Anliegen der Fans wurden nicht nur ignoriert, vielmehr haben sich die Zustände sogar verschlechtert. Anhand folgender drei Themenbereiche ist dies besonders deutlich sichtbar:

 

Nein zu willkürlichen Stadionverboten

 

Die Verhängung von Stadionverboten (SV) gerät mittlerweile völlig außer Kontrolle. Das neu geschaffene „Komitee für Stadionverbote und Prävention“ agiert nach Belieben. Dieses Gremium ersetzte den ehemaligen Senat 3 der Bundesliga, welcher aufgrund seiner einseitigen, parteiischen Besetzung jahrelang in der Kritik stand. Entgegen anderslautender Beteuerungen sind es nun Staatsanwälte, die dort den Ton angeben und ihre Rolle noch restriktiver auslegen. Fanvertreter sucht man darin vergeblich und Stadionverbote werden als alternativlos angesehen, sozialpräventive Herangehensweisen ignoriert. Dieses Komitee vollzieht außerhalb jeglicher Rechtsstaatlichkeit eine Paralleljustiz, in welcher die Unschuldsvermutung zu einer theoretischen Floskel verkommt und von einem fairen Verfahren keine Rede sein kann. Eine Anzeige führt in der Regel sofort zu einem SV, egal ob diese Anzeige berechtigt ist oder nicht. Im Falle der Einstellung des Verfahrens oder eines Freispruchs müssen sich die Betroffenen selbst um eine Aufhebung kümmern und Protest gegen das SV einlegen. Die bisher gängige Praxis der „gelben Karte“ für Unbescholtene wurde komplett abgeschafft und auch die Länge der Stadionverbote erreicht wahnwitzige Dimensionen. Zusätzlich zu diesen Verschlechterungen wurde nun eine Einspruchsgebühr von 125 Euro festgelegt. Diese muss jeder Fan bezahlen, der ein Stadionverbot beeinsprucht. Wer zu seinem Recht kommen will, muss also zuerst zahlen. Aus all diesen Gründen werden wir dieses Gremium der Bundesliga, bei der es sich wohlgemerkt um einen privaten Verein handelt, nicht mehr akzeptieren und dessen Beschlüsse in weiterer Folge ignorieren.

 

Fußball muss bezahlbar sein

 

Eintrittskarten für den österreichischen Fußball sind viel zu teuer. Heutzutage ist ein Stadionbesuch für viele Menschen eine finanzielle Belastung. Gemessen am gebotenen Fußball klafft das Preis-Leistungs-Verhältnis weit auseinander. Insbesondere die Preise in den österreichischen Auswärtssektoren sind völlig jenseitig. Unser Vorschlag für Gästekarten war simpel, fair und stimmungsfördernd: 12 Euro Einheitspreis – Kinder unter 12 Jahren gratis. Stattdessen versuchen die Vereine den wenigen noch verbliebenen Fans möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Die aktuelle Preispolitik wird sich langfristig rächen, da es schwer sein wird, neue Fans für den österreichischen Fußball zu begeistern. Vor allem wenn man bedenkt, dass es für ökonomisch benachteiligte Menschen durch die TV-Verträge keine Möglichkeit gibt, den österreichischen Fußball zu verfolgen. Wir wollen volle Stadien und einen Fußball für alle.

 

Samstag muss der Hauptspieltag sein

 

Entgegen anderweitiger Beteuerungen der Liga findet ein großer Teil der Spiele nun am Sonntag statt. Vereine, die es ins obere Playoff schaffen, spielen überhaupt nur noch am Sonntag. Uns ist egal, welches „Storytelling“ für das Pay-TV am geeignetsten ist. Wir brauchen weder eine künstlich geschaffene Spannung, noch einen zerstückelten Spieltag. Was wir sehen wollen ist qualitativ guter Fußball in einem sportlich fairen Wettkampf. Dieser soll von möglichst vielen Menschen verfolgt werden können. Die schwachen Zuschauerzahlen im oberen Playoff belegen eindeutig, dass der Sonntag als Hauptspieltag vom Gros der Fans nicht angenommen wird.

 

Kurzum: Solange die Bundesliga und der ÖFB die Interessen der Fußballfans mit Füßen treten, wird es unserseits mit den Funktionären keine Kommunikation mehr geben. Dieser Schritt soll keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass die Vereine in der Pflicht stehen und sie es sind, die sich für einen fanfreundlichen Fußball einsetzen müssen.

 

Curva Viola Austria Salzburg – Faninitiative Innsbruck – Kollektiv 1909 – Landstrassler – Rechtshilfe Rapid – Stahlstadt Kollektiv – Vienna Supporters – Weststand Ried im Innkreis

 

Ausgrenzungspolitik und Schlafverbot

Bereits seit einem Jahr gilt das Schlafverbot für Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, in der Innsbrucker Innenstadt. Nun hat die Tivoli Nord bereits zum zweiten Mal mit einer Spendenaktion zugunsten des „Verein für Obdachlose Innsbruck“ darauf aufmerksam gemacht. Passend dazu, ein Text aus der Stimme der Kurve, der letzten Winter anlässlich des Schlafverbots veröffentlicht wurde und nichts an Aktualität eingebüßt hat!

„Nicht nur anhand der Stimmung in der Bevölkerung, die sich in den letzten Wahlergebnissen manifestiert hat, kann festgestellt werden, dass das gesellschaftliche Klima immer rauer und ein gesellschaftlicher Backlash vorangetrieben wird. Auch die Innsbrucker Stadtregierung hat sich dabei in letzter Zeit besonders hervorgetan. Mit rassistischer und diskriminierender Gesetzgebung gegen gesellschaftliche Randgruppen, zu denen oft genug auch organisierte Fussballfans gehören, werden gesellschaftliche Probleme einfach beiseitegeschoben und unliebsame Menschen unsichtbar gemacht.

Nachdem die Mindestsicherung auf Grundlage einer rassistischen Agenda gegen Geflüchtete auf Landesebene für die komplette Tiroler Bevölkerung gedeckelt wurde und ein gemütliches Bier in der Innsbrucker Innenstadt ohne Konsumzwang schon seit längerer Zeit unmöglich ist, Bedürftige mittels Bettelverboten aus dem Stadtkern vertrieben werden, ernsthaft darüber diskutiert wird, ob das Sitzen auf öffentlichen Grünflächen erlaubt oder doch verboten ist und die Bogenmeile als einzige größere Ausgehmeile in der verschiedene Subkulturen ihre Räume gefunden haben, sich steigender staatlicher Repression ausgesetzt sieht, wird nun auch Obdachlosen das Schlafen unter freiem Himmel verboten.

Mit der Verschärfung des Zugangssystems zu städtischen Wohnungen und der Einführung einer dreijährigen Wartefrist für die Mietzinsbeihilfe wurde bereits vor längerer Zeit klar in welche Richtung es gehen wird. Nun werden also auch jene, die durch oben genannte Maßnahmen und die exorbitant hohen Mietpreise kein Dach über dem Kopf haben, via Nächtigungsverbot mit Repression überzogen. Der Stadtregierung zu unterstellen, sie würden Obdachlose erfrieren lassen wollen, wäre wohl zu weit hergeholt. Der Fokus auf Tourismus und Konsumlust führt jedoch dazu, dass menschliche Tragödien in Kauf genommen werden. War der Innsbrucker FPÖ, die oben genannte Verbote seit Jahren fordert, vor einem halben Jahr das Nächtigungsverbot noch nicht radikal genug, setzen sie es nun gemeinsam mit Bürgermeisterin Oppitz-Plörer um.

Wir werden bei dieser generellen Entwicklung in unserer Stadt nicht weiter zusehen. Mit Spruchbändern hat die Tivoli Nord bereits mehrmals auf die unsägliche Verbots- und Ausgrenzungspolitik der Stadtregierung hingewiesen. Es liegt nun an allen Wackerfans, den Protest noch sichtbarer zu machen. Mit der Spendenaktion zugunsten des „Verein für Obdachlose Innsbruck“ soll unmittelbar Betroffenen geholfen werden. Wenn die Bevölkerung Innsbrucks von der Politik im Stich gelassen wird, sehen wir uns in der Pflicht, aktiv dagegen vorzugehen. Alle Wackerianer sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen!“

 

Rebellisch bleiben!

Unter diesem Titel erschien der folgende Text in der Stimme der Kurve, dem Stadionheft der organisierten Innsbrucker Fangruppen. Er setzt sich kritisch mit dem neuen Regierungsprogramm auseinander.

„Gerade Fußballfans haben es immer wieder mit staatlicher Gewalt zu tun. Sei dies körperliche Gewalt durch Schlagstockhiebe von Polizisten, oder aber auch immaterielle Gewalt, verursacht durch verschiedenste Eingriffe in die Freiheit. Da Fußball für uns mehr als nur 90 Minuten Spiel ist und es immer auch um einen Akt der Rebellion geht, darf diese Gewalt nicht einfach hingenommen werden. Hatten die staatlichen Organe bislang schon zu viele Möglichkeiten zur Überwachung und Repression, sollen diese Befugnisse nun noch deutlich erweitert werden. Unter anderem soll es in Zukunft nicht mehr möglich sein, Wertkartenhandys ohne namentliche Registrierung zu erwerben. Außerdem soll die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes ausgebaut und Kameras besser vernetzt werden, was am Ende zu einer wohl annähernd flächendeckenden Überwachung führen wird. Auch die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung soll in einer etwas abgeänderten Form wieder eingeführt werden. Zu guter Letzt soll es zukünftig möglich sein, Menschen aufgrund einer abstrakten Gefahrenlage durch eine Fußfessel ihrer Freiheit zu berauben. Das bedeutet, dass der oder die Betroffene dieser Maßnahme tatsächlich nicht ein einziges Gesetz gebrochen haben muss, um in den „Genuss“ einer Fußfessel zu kommen. Diese beispielhafte Aufzählung einiger Vorhaben der Bundesregierung zeigt in welche Richtung es gehen soll: Umfassende Überwachung soll zum Normalzustand werden. Unter dem Deckmantel der Sicherheit, meist verbunden mit rassistischen Vorurteilen, wird die Freiheit massiv eingeschränkt. Neben der gesamten Bevölkerung werden diese Verschärfungen speziell Menschen treffen, die sich nicht kritiklos unterwerfen wollen. Dazu gehörten schon immer auch rebellische Fußballfans. Dass diese Vorhaben ohne großen Aufschrei durchzusetzen sind, ist der Angst der Gesellschaft geschuldet. Erzeugt wird diese Angst durch Berichte, allzu oft versehen mit alternativen Fakten, die unter anderem Geflüchteten die Schuld an den Zuständen geben. Tatsächlich sind diese Menschen aber selbst Opfer des Systems. Man hört ständig von steigenden Kriminalitätsraten, die es jedoch zum Beispiel in Österreich einfach nicht gibt. Damit ist diese Angst unbegründet. Wir sollten es nicht weiter zulassen, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden und schlussendlich die Freiheit aller verloren geht. Einfache Lösungen sind meist schnell gefunden, doch wir sollten versuchen die komplexen Verhältnisse, in denen wir leben, tatsächlich zu verstehen. Nur so können wir uns gegen Eingriffe in unsere Freiheit wehren.

Gegen jede Autorität!“

Abhörskandal in Leipzig und digitale Selbstverteidigung

Diesen Sommer erschütterte ein Abhörskandal die Fanszene von Chemie Leipzig. Natürlich haben wir uns in der Stimme der Kurve, dem Kurvenmedium der Innsbrucker Fanszene, auch damit auseinandergesetzt. Eine kurze Schilderung der Ereignisse und Tipps zum Thema digitale Selbstverteidigung findet ihr in folgendem Text:

Über Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen der Staatsmacht wurde in diesem Heft schon einiges geschrieben. Es ist ein weiteres trauriges Kapitel, das diesmal in Deutschland geschrieben wurde, welches den Anlass für diesen Text bildet. Vor ein paar Wochen bekamen einige Fußballfans der Vereine Chemie Leipzig und Eintracht Frankfurt überraschend Post von der Staatsanwaltschaft, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass sie Objekt einer Telekommunikationsüberwachung waren.

Wie kam es zu diesem Einschnitt in die Freiheitsrechte der Betroffenen? In Leipzig wurde von der Staatsanwaltschaft, nachdem vor einigen Jahren schon ein ähnlicher Vorwurf gegen Teile der linken Szene, sowie Angehörige der Fanszene der BSG erhoben wurde, erneut ein Verfahren wegen der angeblichen Bildung einer „Kriminellen Vereinigung“ eröffnet. Schon das erste Verfahren, wie nun auch das neuere, wurde eingestellt, nachdem feststand, dass die Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehrten; schlichtweg nichts vorlag, was einer „Kriminellen Vereinigung“ nach dem deutschen Strafgesetzbuch entsprechen würde. Ist der Vorwurf der Bildung einer solchen Vereinigung bereits Anlass genug, dem Staat und seinen Repressionsbehörden eine gehörige Portion Misstrauen entgegenzubringen, sind die Maßnahmen, die eine Verfahrenseröffnung diesen Behörden zugänglich macht, nicht mehr rein als Schikane, sondern als schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen zu werten, und als solcher aufs Schärfste zu verurteilen.

Das gesamte Ausmaß der jetzigen Situation wird wohl erst im Laufe der nächsten Monate ans Licht kommen. Genaue Zahlen gibt es hingegen zum ersten Angriff auf die Leipziger Szene. So wurden zwischen 2013 und 2016 57.000 Telefonate und Nachrichten erfasst und dokumentiert. Betroffen waren Fußballfans, politische Aktivisten und all jene, welche Kontakt zu diesen Leuten hatten, also Familie, Mitarbeiter, Bekannte etc.

Nun sind die zwei Fälle aus Leipzig Fälle von Überwachung, die höchstoffiziell genehmigt und säuberlich dokumentiert durchgeführt wurden. Davon auszugehen, dass diese offiziellen Fälle die einzigen Überwachungsbestrebungen der Staatsmacht darstellen würden, wäre allerdings naiv. Polizei, Verfassungsschutz usw. haben Instrumente, die diese Überwachung möglich machen – es ist davon auszugehen, dass diese auch intensiv, und wohl durchaus nicht immer den Gesetzen entsprechend genutzt werden. Aus diesem Grund sollten wir alle versuchen, uns vor Angriffen der Repressionsbehörden bestmöglich zu schützen.

Wie kann dieser Schutz aussehen? Zuerst ist es wichtig, sein Internet- und Kommunikationsverhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Wer Informationen über sich freiwillig zB. über Facebook und andere Netzwerke preisgibt, macht es den Behörden einfacher als notwendig. Wie im und rund ums Stadion nicht mit der Polizei gesprochen werden sollte, sollte man ihnen auch im Internet nichts mitteilen, noch dazu ungefragt! Ein weiter Aspekt ist die Kommunikationsebene. Macht euch schlau über alternative Kanäle; SMS, Facebookmessenger, Whatsapp usw. sind nicht sicher, Signal stellt beispielsweise eine Alternative dar! Einen kleinen Überblick über Möglichkeiten sich zu schützen, sowie generelle Infos zu Überwachung findet ihr auf:

https://epicenter.works/crypto

Sicherheitspaket & Überwachung

Um unsere Reihe fortzusetzen, ein weiterer Text aus der Stimme der Kurve, dem Stadionheft der Tivoli Nord. Erschienen im Jahr 2017, beschäftigt sich der Autor mit dem damals frisch geschnürten Sicherheitspaket und Überwachung im Internet. Viel Spaß beim Lesen!

Nun ist es also wieder so weit. Zum gefühlt tausendsten Mal wird in Österreich ein Überwachungspaket geschnürt, die zuständigen Stellen sonnen sich im Blitzlichtgewitter und den Bürgern wird vermittelt, dass sie sich jetzt wieder „sicherer“ fühlen können. Paradoxerweise ist jedoch nicht einmal geklärt, was Sicherheit bedeutet. Denn spricht man von objektiver Sicherheit, scheint kein Handlungsbedarf zu bestehen. Österreich liegt im Global Peace Index knapp hinter Island und Dänemark am stolzen dritten Platz. Viel eher geht es darum das subjektive Sicherheitsgefühl zu schärfen, und besorgten Bürgern zu vermitteln, dass der Staat eh alles im Griff hat. Ganz klar ist aber, dass diese Maßnahmen neben anderen Bevölkerungsgruppen, die sich nicht dem gesellschaftlichen Einheitsbrei hingeben, auch uns als Stadiongeher treffen werden. Oder um es mit einer Avantgardistin zu sagen: „Wer sich nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht!“

So haben nun auch private Sicherheitsunternehmen die Ehre, Videoaufzeichnungen an staatliche Stellen weiterzuleiten und verpflichtend abzuspeichern. Die bereits jetzt sehr weit fortgeschrittene Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird also noch weiter ausgebaut. Und das ist nur die Spitze eines Eisberges an Maßnahmen, bei denen sich George Orwell im Grab umdrehen würde. Die Unfähigkeit der Behörden soll also damit kaschiert werden, dass ihnen angeblich die rechtlichen Mittel fehlen. Wer im Stadionumfeld bereits Zeuge polizeilicher Maßnahmen geworden ist, kann sich da nur wundern. Sehr häufig scheint Willkür probates Mittel zu sein, doch wer glaubt zunehmende Repression gegenüber organisierten Fußballfans wäre der richtige Weg, hat sich wohl noch nie eingehender mit der Thematik auseinandergesetzt.

Um euch auch etwas Konstruktives mit auf den Weg zu geben, widmen wir uns den sozialen Medien. Unser Grundsatz, Internetforen den ihnen immanenten Internethelden zu überlassen, ist hoffentlich bekannt.

 

Und nicht nur die Peinlichkeit, die mit so mancher Internetpräsenz einhergeht ist zu kritisieren, sondern selbstverständlich auch die komplette Auslieferung an staatliche Organe. Wenig überraschend und vermutlich auch allen irgendwie bewusst ist die wachsende Bedeutung unserer digitalen Kommunikation für die Ermittlungsbehörden. Es bringt nichts im Stadion das Gespräch mit den Bullen zu verweigern und ein paar Stunden später Fotos im Internet zu posten. Es gibt viele gute Texte, die sich umfassender mit dem Thema „Digitale Selbstverteidigung“ befassen und darlegen, welche Daten man durch schlichtes Surfen im Netz hinterlässt und was ein möglicher Umgang damit sein kann. Mit Blick auf Repressionen gegen Fussballfans sind aber vor allem soziale Netzwerke genauer zu betrachten. Deren ausschweifende Nutzung entspricht nicht einfach dem passiven Nicht-Verhindern von Überwachung, sondern einem aktiven Bereitstellen von umfangreichen Informationen – und das ohne Aufforderung oder Druck von Seiten der Behörden. Es wäre also jeder gut beraten, vor dem nächsten Post für ein paar Sekunden das Hirn einzuschalten!

Homophobie raus aus den Stadien!

In der letzten Ausgabe der Stimme der Kurve wurde ein Text zum Thema Homophobie im Fußball veröffentlicht, welchen wir euch heute noch einmal präsentieren wollen. Ein Grund dafür ist, dass wir als Faninitiative diesem Thema große Bedeutung zuschreiben und hoffen durch die Thematisierung zum Zurückdrängen von homophoben Aktivitäten aus dem Stadion beitragen zu können. Ein zweiter Grund ist, dass beim Auswärtsspiel des FC Wacker Innsbruck in Graz aus dem Gästesektor der Gesang „Schwuler SK Sturm!“ zu vernehmen war. Wie der nachfolgende Text zeigt, handelt es sich hierbei nicht um eine harmlose Beschimpfung des Gegners, sondern um eine Beleidigung von homosexuellen Menschen, der wir uns vehement verwehren wollen.

Schenkt dem Thema eure Aufmerksamkeit und setzt euch gemeinsam gegen jede Diskriminierung im Stadion und überall sonst ein!

Laut einer Dalia-Studie aus dem Jahre 2016 (n=12000) sind 6,2% der Österreicher*innen homosexuell. Der allseits bekannte Kondome-Hersteller Durex führte ebenfalls eine Studie durch, bei welcher sogar 15% der Österreicher*innen angaben, bereits homoerotische Erfahrungen gesammelt zu haben. Rein statistisch betrachtet müsste es also in unserem Profi-Kader ein bis zwei homosexuelle Spieler geben, oder sogar vier Spieler mit homoerotischen Erfahrungen. Viele werden jetzt sagen, dass dies sicher nicht der Fall sei, da sich die Spieler bestimmt längst geoutet hätten. Doch gerade im Fußball ist Homosexualität nach wie vor ein Tabuthema, sodass Profi-Spieler anstatt sich zu outen, lieber auf eine Scheinpartnerschaft einlassen, weil sie Nachteile durch ihr „Coming-out“ befürchten. Das ist auch tatsächlich der Fall, da es immer wieder Spieler*innen oder Trainer*innen gibt, welche bekräftigen, dass sie mit keinem/keiner Homosexuellen in einem Team spielen könnten, aus welchem Grund auch immer. Neben den Aussagen der Spieler*innen und Trainer*innen gibt es auch noch uns Fans, die mit ihrem Verhalten die Enttabuisierung der Homosexualität im Fußball erschweren. Der Schiri pfeift schlecht und ist somit eine „Schwuchtel“, der Spieler geht nicht richtig in den Zweikampf und wird als „Woarmer“ tituliert, die Spielerin wird schnell zur „Kampflesbe“. Schwul sein wird also zum Synonym für alles Schlechte im Spiel herangezogen. Doch gerade diese Stereotypisierung von „guter Fußball = männlich“ hinkt. Warum sollten homosexuelle Spieler nicht männlich, hart und körperbetont Fußball spielen können? Man erinnert sich nur an Thomas Hitzelsberger, welcher sich in der härtesten Liga der Welt, der Premier League, aufgrund seiner äußerst harten Spielweise den Spitznamen „The Hammer“ erworben hat. Nach seinem Karriereende hat er sich als homosexuell geoutet. Homosexualität hat also nichts mit einer weichen, schwachen und schlechten Spielweise zu tun. Doch kommen wir zurück zu unseren Zahlenspielen: Angenommen das Tivoli-Stadion ist mit 13.000 Zuschauern (+2000 Gästen) gegen den LASK ausverkauft und wir stimmen „Schwuler, Schwuler ASK!“ an. Abgesehen davon, dass schwul sein nichts Schlimmes und erst recht keine Beleidigung darstellen sollte, beleidigen wir mit diesem Lied nicht nur die Scheiss Linzer. Nein, auch die (statistisch gesehen) rund 800 homosexuellen Anhänger*innen unseres FC Wacker Innsbruck im Stadion sind Ziel der Beleidigung. Wir beleidigen uns also selbst. Oft kommt dann das Argument, dass es eh nicht beleidigend gemeint sei. Schön für denjenigen, doch ein Heterosexueller darf und kann nicht darüber entscheiden wann sich ein homosexueller Mensch diskriminiert zu fühlen hat und wann nicht. Warum ist es so wichtig, dass wir uns als Fußballfans gegen Homophobie stellen? Es gibt homosexuelle Fußballspieler*innen, daran lässt sich nicht zweifeln. Trotzdem wagen es die allerwenigsten ihre sexuellen Vorlieben frei auszuleben. Dadurch entsteht für die Betroffenen ein enormer psychischer Druck, welcher mit ein Grund für die horrende Anzahl an Suiziden und Suizidversuchen unter Homosexuellen ist. Laut einer Studie der Universität Salzburg (2004) liegt die Suizidrate bei dieser Gruppe in Österreich rund 7-mal höher als bei Heterosexuellen. Jeder dritte Suizidversuch wird von einem gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen. 90% davon geschehen in der Altersgruppe der 15 bis 27-Jährigen. Hauptursache dafür sind die geringe soziale Unterstützung, Diskriminierung sowie Ausgrenzung. Wir Fußballfans sind die größte Subkultur und haben somit einen gesellschaftsformenden Charakter, wir gehen sozusagen als Vorbilder voran. Lasst uns also eine Kurve leben, in der sexuellen Vorlieben keine Rolle spielen.

Faninitiative Innsbruck, November 2018

Stellungnahme zu geplanten Gesetzesvorstößen des Innenministeriums

Sind nicht konforme Gruppierungen dem Staat per Definition ein Dorn im Auge, bekommen das organisierte Fußballfans durch den unvermeidbaren Kontakt mit der Polizei jeden Spieltag auch deutlich zu spüren. Neue Mittel der Repression und schwammige Gesetzesstellen können hier ohne großes mediales Interesse ausgetestet und Grenzen ohne Konsequenzen überschritten werden.

Seit geraumer Zeit hat sich der Grad an Überwachung auf ein Niveau zugespitzt, bei dem von einem ungezwungenen Stadionbesuch in keinster Weise mehr die Rede sein kann. Die meisten Spiele werden von Polizeieinsätzen begleitet, die jegliches Fingerspitzengefühl und Gespür für Verhältnismäßigkeit vermissen lassen. Hochgerüstete Polizisten mit Schildern, Panzern, Helmen und Schlagstöcken schaffen ein Bedrohungsszenario, das eine vergnügliche Wochenendbeschäftigung unmöglich erscheinen lässt.

Und mit dem neubesetzten Innenministerium dürfen wir nun auch wieder eine Diskussion über Pyrotechnik führen. Eigentlich sind wir es leid, Aussendungen zu den immer gleichen Themen zu schreiben aber der vollständige Realitätsverlust einiger Beamter im BMI, dem wir die aktuelle Diskussion zu verdanken haben, zwingt uns doch dazu Stellung zu beziehen. Worum geht es also im vorliegenden Fall?

Bereits vor einigen Jahren war das Thema Pyrotechnik im wahrsten Sinne des Wortes brandaktuell. Ein vollständiges Verbot wurde diskutiert und eine solidarische vereinsübergreifende Kampagne formierte sich, um das Verbot dieses essentiellen Bestandteils von lebendiger Fankultur zu verhindern. Und so schaffte man es in Innsbruck als Vorreiter eine Ausnahmegenehmigung für Heimspiele zu erarbeiten, die ob ihres unkomplizierten Charakters und der ausnahmslosen Einhaltung durch die Fanszene sehr bald von allen Seiten gelobt wurde. Diese Handhabe war auch für uns als Faninitiative ein wichtiger Schritt um Fankultur zu entkriminalisieren und unnötigen Stress zu vermeiden. Zu einem großen Teil durch die unermüdliche Aufklärungsarbeit seitens der Fans wandelte sich in den letzten Jahren die öffentliche Wahrnehmung und heute findet sich kaum ein Verein, der sich nicht hinter seine AnhängerInnen stellt und sich für ein legalisiertes und damit kontrolliertes Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen einsetzt. Kein Wunder, spart man sich damit unnötige Geldstrafen und Kriminalisierung meist junger Erwachsener. Die Genehmigungen für legalen Pyroeinsatz wurden also mehr und das Thema verschwand zunehmend von der Bildfläche. Man war sich mit den meisten Experten einig, dass ein Verbot nichts bewirkt und nur zusätzlichen Zündstoff liefert. So können wir in Innsbruck auf eine erfolgreiche Regelung zurückblicken, die wohl auch entscheidend dazu beitrug, dass in den letzten Jahren weder Verletzungen, noch sonstige negative Vorkommnisse im Zusammenhang mit Pyrotechnik zu beklagen waren.

Bild könnte enthalten: eine oder mehrere Personen und Text

Mit Sorge blicken wir auf den jetzt geplanten Wegfall sämtlicher Ausnahmegenehmigungen. Der Glaube, dass sich damit die Situation in den österreichischen Fankurven in irgendeiner Weise zum Besseren verändert, kann leider nur als naiv gewertet werden. Weder bewirken solche Verbote sonderlich viel, noch besteht in diesem Bereich Handlungsbedarf. Die einzige Konsequenz sind Fangruppen die sich fragen müssen, inwiefern Kooperationen und einvernehmliche Regelungen überhaupt noch Sinn machen, wird hier seitens der Behörden offenbar auf Eskalation gesetzt. Dass weder Bundesliga geschweige denn FanvertreterInnen in die Überlegungen einbezogen wurden, spricht Bände über die neue Verhandlungskultur im BMI.

Wir als Faninitiative werden auch weiterhin die positiven Potentiale von Fankultur in den Vordergrund rücken und Reibungspunkte im Stadionumfeld so gut es geht ausräumen. Solche Vorgehensweisen sind dabei absolut kontraproduktiv.

Wir appellieren also mit aller Vehemenz an die zuständigen Behörden und politischen EntscheidungsträgerInnen sich den Meinungen von Fangruppen, Vereinen, Experten und Fanprojekten anzuschließen und ein geregeltes Abbrennen von Pyrotechnik auch weiter zuzulassen. Für den Erhalt der Fankultur!

Faninitiative Innsbruck, März 2018

Umgang mit der Ordnungsmacht

Aus gegebenem Anlass möchten wir an dieser Stelle einen etwas ältereren Beitrag aus der „Stimme der Kurve“ veröffentlichen. Obwohl die Veröffentlichung bereits ein Jahr zurückliegt, hat das Thema an Aktualität nichts eingebüßt:

„Das Verhältnis zwischen Fussballfans und der Polizei ist seit jeher ein angespanntes. Die Geschichte organisierter Fankultur ist die einer Bewegung, die sich ihren Weg nicht von anderen vorschreiben lässt. Durch Spruchbänder, optische Stilmittel oder Gesänge äußern wir uns seit jeher zu Themen die uns betreffen und erreichen im Stadion mit kreativen und spontanen Mitteln ein breites Publikum. Es liegt somit in der Natur der Sache, dass aktive Fußballfans staatlichen Stellen ein Dorn im Auge sind. Immer neue Gesetzesverschärfungen sind nur die Spitze eines Eisbergs von Repressalien, die wir an jedem Spieltag und darüber hinaus zu spüren bekommen. Allein die Tatsache, dass man als Auswärtsfahrer nach Spielende vor den Stadiontoren von Hundertschaften der Einsatzeinheit mit Polizeihunden erwartet wird, sollte zum Nachdenken anregen. Doch uns diesem Druck zu fügen und nach deren Pfeife zu tanzen, widerstrebt uns mit jeder Faser unseres Körpers. Ein mundtotes Publikum aus gläsernen Zuschauern, deren Stadionbesuch primär Konsumzwecken dient, wird es mit uns nicht geben. Zumal wir uns, wie ein Blick über die Grenze nach Italien zeigt, in Österreich noch auf einer Insel der Seligen befinden.

Um das auch weiterhin zu garantieren, gilt es allerdings für jeden von uns im Umgang mit der Staatsmacht ein paar Dinge zu beachten. So sind Gespräche mit einzelnen Ordnungshütern sowohl zu Hause als auch auf Auswärtsfahrten absolut kontraproduktiv und schaden jedem Einzelnen von uns, auch wenn wir es im ersten Moment oft nicht merken. Jeder Polizist der bei einem Fußballspiel eingesetzt wird, handelt in seiner Funktion, so sehr er auch als netter Zeitgenosse erscheinen mag. Jede Frage, so beiläufig sie auch erscheinen mag, hat nur den Zweck euch Informationen zu entlocken oder euch in Gespräche zu verwickeln, die später auf andere oder auch euch selbst zurückfallen können. Niemand ist verpflichtet sich mit einem Polizisten zu unterhalten. Selbiges gilt für szenekundige Beamte. Somit bitten wir euch eindringlich darum, solchen Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Dreht euch einfach um oder geht weiter. Wenn ihr Fragen habt, wendet euch an bekannte Gesichter und es wird euch garantiert weitergeholfen. Aber redet nicht mit den Bullen!

Auch auf der Tribüne aufgenommene Videos können dafür sorgen, dass andere Stadiongänger, die zum Beispiel bei der Benützung von Pyrotechnik gefilmt werden, Schaden nehmen. So schön das Kurvenbild oftmals auch erscheinen mag, lasst euer Handy stecken und supportet fleißig, damit ist jedem mehr geholfen. Auch wenn ein Video nicht im Internet landet, was sowieso einem Kollateralschaden gleicht, kann es sehr schnell in die falschen Hände geraten.

Solltet ihr, warum auch immer, von der Polizei angehalten werden, fragt nach dem Grund, ob euch etwas vorgeworfen wird und am besten auch nach der Dienstnummer des betreffenden Ordnungshüters. Sofern ihr nicht festgenommen wurdet, hat die Polizei kein Recht euch nach der Amtshandlung weiter festzuhalten. Sollte das blöderweise doch der Fall sein, gibt es einige wichtige Sachen zu beachten. Zunächst solltet ihr jegliche Aussage zum euch Vorgeworfenen ablehnen. Ihr habt später noch genug Zeit eure Sicht der Dinge darzulegen. Außerdem habt ihr das Recht einen Telefonanruf zu machen. Wenn ihr nicht darauf hingewiesen werdet, fragt danach. Informiert auf jeden Fall einen Vertrauten wo ihr euch befindet und was euch vorgeworfen wird. Und zu guter Letzt steht es euch natürlich zu einen Rechtsbeistand beizuziehen. All das sind Rechte die euch in jedem Fall gewährt werden müssen!

So schlimm all das auch klingen mag, ist es nur zu eurem Besten, wenn ihr diese Dinge immer im Hinterkopf habt. Niemand von uns sollte Probleme mit der Polizei haben, doch es kann jedem passieren, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Und dann über seine Rechte Bescheid zu wissen ist mehr als nur hilfreich.“

2017 veröffentlicht in der „Stimme der Kurve“, dem Stadionheft der Tivoli Nord