Forschungsfeld Stadion – Studierende der Europäischen Ethnologie ergründen Alltagskultur des Fußballs

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Der Fußballsport fasziniert weltweit die Massen, er ist Politikum und Milliardengeschäft, Gesprächsthema beim Smalltalk in der Mittagspause und Quotenbringer im Fernsehen. Kurzum: Fußball ist ein zentraler Bestandteil unserer Alltagskultur – und damit auch für die Wissenschaft interessant.

Dies bestätigten Studierende der Universität Innsbruck, die im Rahmen des Heimspiels gegen Rapid Wien das Tivolistadion zum Forschungsfeld erklärten. Sie sind Teilnehmer der Lehrveranstaltung „Kulturwissenschaftliche Fußballforschung“, die in diesem Semester vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie am Innrain angeboten wird.

Erforschung der Alltagskultur

Die Europäische Ethnologie, eine Weiterentwicklung des Fachs Volkskunde, befasst sich mit alltäglichen Gegenständen, Lebensweisen und Kulturpraktiken. Welche Kleidung tragen Jugendliche? Was wird in Tiroler Küchen gekocht? Inwiefern bestimmen soziale Lebensformen und Institutionen von der Patchwork-Familie über die Freiwillige Feuerwehr bis zum Facebook-Netzwerk unseren Alltag? Welche Witze werden am Stammtisch, welche Märchen in Kinderbüchern erzählt? Wie verändern sich Gepflogenheiten und Handlungen im Beruf und in der Freizeit? Sämtliche Bereiche des Alltags werden von der Europäischen Ethnologie dokumentiert und analysiert. Immer verbunden mit der Frage nach der Bedeutung dieser Dinge und Gewohnheiten für die Menschen.

Forschungsfeld Fußballstadion

Dass auch der Fußball in dieser Hinsicht ein interessantes Forschungsfeld bietet, liegt auf der Hand. Im Fokus steht dabei meistens die Fankultur mit ihren subkulturellen Organisationsformen und Ritualen. Bekannt geworden sind diesbezüglich besonders die Studien des französischen Ethnologen Christian Bromberger, der in den 80er Jahren die Fanszenen von Juventus Turin, Olympique Marseille und der SSC Neapel untersuchte. Sein wissenschaftlicher Zugang zum Untersuchungsfeld erfolgte in erster Linie per Feldforschung, einer klassischen Methode in der Europäischen Ethnologie. Mit Blick auf das Forschungsfeld Fußball sind damit u.a. systematische Beobachtungen im Stadion sowie das Befragen von Fans, z.B. in Interviews, gemeint. Um diese Forschungsmethode – sozusagen das Handwerkszeug der Wissenschaftler – kennenzulernen, unternahmen die Teilnehmer des Seminars „Kulturwissenschaftliche Fußballforschung“ nun eine Exkursion ins Tivoli. Dort konnten sie die Theorie aus der Fachliteratur mit der Praxis verbinden.

Theorie und Praxis

Im Seminar hatten die Studierenden des Bachelorstudiengangs Europäische Ethnologie unter anderem über Identifikationen und Identitäten im Fußball und seiner Zuschauerschaft gesprochen. Was dies in der Realität bedeutet, beobachteten und dokumentierten sie nun im Stadion, wo sich trotz einer Serie von sieben sieglosen Spielen weit mehr als 6000 Zuseher einfanden und die Fans auf der Nordtribüne die Mannschaft bis zur letzten Minute mit Gesängen und Sprechchören anfeuerten. Instruiert wurden die Nachwuchsforscher von Institutsmitarbeiterin und Lehrveranstaltungsleiterin Valeska Flor sowie von Sozialwissenschaftler Stefan Hebenstreit, der im letzten Jahr ein ähnliches Projektseminar an der Universität Innsbruck durchgeführt hatte.

Dialog mit Wissenschaft

Der Dialog mit Vertretern der Wissenschaft ist Teil des Selbstverständnisses des FC Wacker. Sogar in den Statuten ist der „Aufbau eines wissenschaftlichen Think-Tank“ vorgesehen, sprich eines Netzwerks aus wissenschaftlichen Experten. Der Kontakt zur Leopold-Franzens-Universität wurde in diesem Fall über den Kooperationspartner Faninitiative Innsbruck hergestellt. Der Trägerverein der Einrichtung „Fanarbeit – Sozialarbeit mit Fußballfans“ hatte bereits anlässlich der Europameisterschaft 2008 und des 100-jährigen Jubiläums 2013 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Erziehungswissenschaften Lehrveranstaltungen durchgeführt, die sich dem Fußball und seiner Fankultur widmeten. Dabei wurden jeweils aktuelle internationale Forschungsergebnisse am Beispiel des FC Wacker und seiner Fanszene reflektiert.

Quelle: http://www.fc-wacker-innsbruck.at/verein/news-verein/2201-forschungsfeld-tivolistadion-alltagskultur-des-fussballs

Foto: Universität Innsbruck