Rebellisch bleiben!

Unter diesem Titel erschien der folgende Text in der Stimme der Kurve, dem Stadionheft der organisierten Innsbrucker Fangruppen. Er setzt sich kritisch mit dem neuen Regierungsprogramm auseinander.

„Gerade Fußballfans haben es immer wieder mit staatlicher Gewalt zu tun. Sei dies körperliche Gewalt durch Schlagstockhiebe von Polizisten, oder aber auch immaterielle Gewalt, verursacht durch verschiedenste Eingriffe in die Freiheit. Da Fußball für uns mehr als nur 90 Minuten Spiel ist und es immer auch um einen Akt der Rebellion geht, darf diese Gewalt nicht einfach hingenommen werden. Hatten die staatlichen Organe bislang schon zu viele Möglichkeiten zur Überwachung und Repression, sollen diese Befugnisse nun noch deutlich erweitert werden. Unter anderem soll es in Zukunft nicht mehr möglich sein, Wertkartenhandys ohne namentliche Registrierung zu erwerben. Außerdem soll die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes ausgebaut und Kameras besser vernetzt werden, was am Ende zu einer wohl annähernd flächendeckenden Überwachung führen wird. Auch die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung soll in einer etwas abgeänderten Form wieder eingeführt werden. Zu guter Letzt soll es zukünftig möglich sein, Menschen aufgrund einer abstrakten Gefahrenlage durch eine Fußfessel ihrer Freiheit zu berauben. Das bedeutet, dass der oder die Betroffene dieser Maßnahme tatsächlich nicht ein einziges Gesetz gebrochen haben muss, um in den „Genuss“ einer Fußfessel zu kommen. Diese beispielhafte Aufzählung einiger Vorhaben der Bundesregierung zeigt in welche Richtung es gehen soll: Umfassende Überwachung soll zum Normalzustand werden. Unter dem Deckmantel der Sicherheit, meist verbunden mit rassistischen Vorurteilen, wird die Freiheit massiv eingeschränkt. Neben der gesamten Bevölkerung werden diese Verschärfungen speziell Menschen treffen, die sich nicht kritiklos unterwerfen wollen. Dazu gehörten schon immer auch rebellische Fußballfans. Dass diese Vorhaben ohne großen Aufschrei durchzusetzen sind, ist der Angst der Gesellschaft geschuldet. Erzeugt wird diese Angst durch Berichte, allzu oft versehen mit alternativen Fakten, die unter anderem Geflüchteten die Schuld an den Zuständen geben. Tatsächlich sind diese Menschen aber selbst Opfer des Systems. Man hört ständig von steigenden Kriminalitätsraten, die es jedoch zum Beispiel in Österreich einfach nicht gibt. Damit ist diese Angst unbegründet. Wir sollten es nicht weiter zulassen, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden und schlussendlich die Freiheit aller verloren geht. Einfache Lösungen sind meist schnell gefunden, doch wir sollten versuchen die komplexen Verhältnisse, in denen wir leben, tatsächlich zu verstehen. Nur so können wir uns gegen Eingriffe in unsere Freiheit wehren.

Gegen jede Autorität!“

Abhörskandal in Leipzig und digitale Selbstverteidigung

Diesen Sommer erschütterte ein Abhörskandal die Fanszene von Chemie Leipzig. Natürlich haben wir uns in der Stimme der Kurve, dem Kurvenmedium der Innsbrucker Fanszene, auch damit auseinandergesetzt. Eine kurze Schilderung der Ereignisse und Tipps zum Thema digitale Selbstverteidigung findet ihr in folgendem Text:

Über Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen der Staatsmacht wurde in diesem Heft schon einiges geschrieben. Es ist ein weiteres trauriges Kapitel, das diesmal in Deutschland geschrieben wurde, welches den Anlass für diesen Text bildet. Vor ein paar Wochen bekamen einige Fußballfans der Vereine Chemie Leipzig und Eintracht Frankfurt überraschend Post von der Staatsanwaltschaft, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass sie Objekt einer Telekommunikationsüberwachung waren.

Wie kam es zu diesem Einschnitt in die Freiheitsrechte der Betroffenen? In Leipzig wurde von der Staatsanwaltschaft, nachdem vor einigen Jahren schon ein ähnlicher Vorwurf gegen Teile der linken Szene, sowie Angehörige der Fanszene der BSG erhoben wurde, erneut ein Verfahren wegen der angeblichen Bildung einer „Kriminellen Vereinigung“ eröffnet. Schon das erste Verfahren, wie nun auch das neuere, wurde eingestellt, nachdem feststand, dass die Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehrten; schlichtweg nichts vorlag, was einer „Kriminellen Vereinigung“ nach dem deutschen Strafgesetzbuch entsprechen würde. Ist der Vorwurf der Bildung einer solchen Vereinigung bereits Anlass genug, dem Staat und seinen Repressionsbehörden eine gehörige Portion Misstrauen entgegenzubringen, sind die Maßnahmen, die eine Verfahrenseröffnung diesen Behörden zugänglich macht, nicht mehr rein als Schikane, sondern als schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen zu werten, und als solcher aufs Schärfste zu verurteilen.

Das gesamte Ausmaß der jetzigen Situation wird wohl erst im Laufe der nächsten Monate ans Licht kommen. Genaue Zahlen gibt es hingegen zum ersten Angriff auf die Leipziger Szene. So wurden zwischen 2013 und 2016 57.000 Telefonate und Nachrichten erfasst und dokumentiert. Betroffen waren Fußballfans, politische Aktivisten und all jene, welche Kontakt zu diesen Leuten hatten, also Familie, Mitarbeiter, Bekannte etc.

Nun sind die zwei Fälle aus Leipzig Fälle von Überwachung, die höchstoffiziell genehmigt und säuberlich dokumentiert durchgeführt wurden. Davon auszugehen, dass diese offiziellen Fälle die einzigen Überwachungsbestrebungen der Staatsmacht darstellen würden, wäre allerdings naiv. Polizei, Verfassungsschutz usw. haben Instrumente, die diese Überwachung möglich machen – es ist davon auszugehen, dass diese auch intensiv, und wohl durchaus nicht immer den Gesetzen entsprechend genutzt werden. Aus diesem Grund sollten wir alle versuchen, uns vor Angriffen der Repressionsbehörden bestmöglich zu schützen.

Wie kann dieser Schutz aussehen? Zuerst ist es wichtig, sein Internet- und Kommunikationsverhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Wer Informationen über sich freiwillig zB. über Facebook und andere Netzwerke preisgibt, macht es den Behörden einfacher als notwendig. Wie im und rund ums Stadion nicht mit der Polizei gesprochen werden sollte, sollte man ihnen auch im Internet nichts mitteilen, noch dazu ungefragt! Ein weiter Aspekt ist die Kommunikationsebene. Macht euch schlau über alternative Kanäle; SMS, Facebookmessenger, Whatsapp usw. sind nicht sicher, Signal stellt beispielsweise eine Alternative dar! Einen kleinen Überblick über Möglichkeiten sich zu schützen, sowie generelle Infos zu Überwachung findet ihr auf:

https://epicenter.works/crypto

Sicherheitspaket & Überwachung

Um unsere Reihe fortzusetzen, ein weiterer Text aus der Stimme der Kurve, dem Stadionheft der Tivoli Nord. Erschienen im Jahr 2017, beschäftigt sich der Autor mit dem damals frisch geschnürten Sicherheitspaket und Überwachung im Internet. Viel Spaß beim Lesen!

Nun ist es also wieder so weit. Zum gefühlt tausendsten Mal wird in Österreich ein Überwachungspaket geschnürt, die zuständigen Stellen sonnen sich im Blitzlichtgewitter und den Bürgern wird vermittelt, dass sie sich jetzt wieder „sicherer“ fühlen können. Paradoxerweise ist jedoch nicht einmal geklärt, was Sicherheit bedeutet. Denn spricht man von objektiver Sicherheit, scheint kein Handlungsbedarf zu bestehen. Österreich liegt im Global Peace Index knapp hinter Island und Dänemark am stolzen dritten Platz. Viel eher geht es darum das subjektive Sicherheitsgefühl zu schärfen, und besorgten Bürgern zu vermitteln, dass der Staat eh alles im Griff hat. Ganz klar ist aber, dass diese Maßnahmen neben anderen Bevölkerungsgruppen, die sich nicht dem gesellschaftlichen Einheitsbrei hingeben, auch uns als Stadiongeher treffen werden. Oder um es mit einer Avantgardistin zu sagen: „Wer sich nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht!“

So haben nun auch private Sicherheitsunternehmen die Ehre, Videoaufzeichnungen an staatliche Stellen weiterzuleiten und verpflichtend abzuspeichern. Die bereits jetzt sehr weit fortgeschrittene Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird also noch weiter ausgebaut. Und das ist nur die Spitze eines Eisberges an Maßnahmen, bei denen sich George Orwell im Grab umdrehen würde. Die Unfähigkeit der Behörden soll also damit kaschiert werden, dass ihnen angeblich die rechtlichen Mittel fehlen. Wer im Stadionumfeld bereits Zeuge polizeilicher Maßnahmen geworden ist, kann sich da nur wundern. Sehr häufig scheint Willkür probates Mittel zu sein, doch wer glaubt zunehmende Repression gegenüber organisierten Fußballfans wäre der richtige Weg, hat sich wohl noch nie eingehender mit der Thematik auseinandergesetzt.

Um euch auch etwas Konstruktives mit auf den Weg zu geben, widmen wir uns den sozialen Medien. Unser Grundsatz, Internetforen den ihnen immanenten Internethelden zu überlassen, ist hoffentlich bekannt.

 

Und nicht nur die Peinlichkeit, die mit so mancher Internetpräsenz einhergeht ist zu kritisieren, sondern selbstverständlich auch die komplette Auslieferung an staatliche Organe. Wenig überraschend und vermutlich auch allen irgendwie bewusst ist die wachsende Bedeutung unserer digitalen Kommunikation für die Ermittlungsbehörden. Es bringt nichts im Stadion das Gespräch mit den Bullen zu verweigern und ein paar Stunden später Fotos im Internet zu posten. Es gibt viele gute Texte, die sich umfassender mit dem Thema „Digitale Selbstverteidigung“ befassen und darlegen, welche Daten man durch schlichtes Surfen im Netz hinterlässt und was ein möglicher Umgang damit sein kann. Mit Blick auf Repressionen gegen Fussballfans sind aber vor allem soziale Netzwerke genauer zu betrachten. Deren ausschweifende Nutzung entspricht nicht einfach dem passiven Nicht-Verhindern von Überwachung, sondern einem aktiven Bereitstellen von umfangreichen Informationen – und das ohne Aufforderung oder Druck von Seiten der Behörden. Es wäre also jeder gut beraten, vor dem nächsten Post für ein paar Sekunden das Hirn einzuschalten!