Ende November 2011 präsentierte die Faninitiative Innsbruck erstmals in Österreich die Ausstellung „Tatort Stadion“, die sich mit verschiedenen Formen von Diskriminierung im Fußball befasst.
Bereits in über 200 Ausstellungsorten
2001 vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) konzipiert zog die Wanderausstellung in Deutschland an über 200 Ausstellungsorten bereits tausende Besucherinnen und Besucher an und trug mit dazu bei, dass eine öffentliche Diskussion über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Fußball intensiviert wurde. Dies erhoffte sich die Faninitiative Innsbruck auch für Tirol und Österreich.
Reaktion auf aktuelle Herausforderungen
Mittlerweile wurde die Ausstellung von BAFF komplett überarbeitet und neu gestaltet. Diese Veränderung war notwendig, weil auch die Diskriminierungsformen in den Stadien sich verändert haben. Rassismus artikuliert sich heute meist subtiler, Neo-Nazis nutzen vielerorts popkulturelle Elemente in ihrer Agitation. Darüber hinaus soll die überarbeitete Ausstellung auch dem Bestreben gerecht werden, zukünftig noch mehr auf die Problematik von Sexismus und Homophobie hinzuweisen.
Erstmals in Österreich
Von 25. November bis 9. Dezember wurde die Ausstellung im Kulturzentrum „Die Bäckerei“ gezeigt. Kooperationspartner und Mitveranstalter war der Innsbrucker Kulturverein Contrapunkt. Auch die Fanclubs der Tivoli Nord beteiligten sich an der Ausstellung und erweiterten diese gemeinsam mit der Faninitiative um einen lokalen Teil mit wissenswerten Informationen zur Situation in Innsbruck und Tirol. Auf verschiedenen Schautafeln, in Videofilmen und anhand von zahlreichen Exponaten erhielten die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung einen umfassenden Überblick zum Thema Diskriminierung im Fußball und möglichen Ansätzen zur Überwindung von Vorurteilen.
Umfangreiches Rahmenprogramm
Begleitet wurde die Ausstellung außerdem von einem interessanten Rahmenprogramm, zu dem auch zwei thematische Filmabende im Leokino und ein Workshop mit Studierenden am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck zählten. Außerdem fand im Rahmen der Ausstellung die offizielle Auftaktveranstaltung zum Sozialprojekt Fanarbeit Innsbruck (siehe Rubrik Fanarbeit) der Faninitiative statt.
Höhepunkte waren jedoch die sehr gut besuchten Abendveranstaltungen am Ausstellungsort. Zur Eröffnung der Ausstellung referierten Gabriel Kuhn, in Schweden lebender Autor und Übersetzer sowie ehemaliger Tiroler Auswahlspieler, und Judith Goetz, Literatur- und Politikwissenschafterin sowie Referentin für feministische Politik der ÖH-Bundesvertretung. Kuhn skizzierte in seinem Vortrag einzelne Zusammenhänge von Fußball und Politik, zeigte die gesellschaftliche Bedeutung des Sports auf und fragte nach der sozialen Verantwortung von Akteuren im Fußball, welcher diese seiner Meinung nach noch mehr nachkommen müssen. Goetz machte geschichtliche Rückblicke auf den Antisemitismus im österreichischen Vereinsfußball und legte Kontinuitäten innerhalb der Fanszenen österreichischer Fußballclubs dar.
Diskussion über Gewalt im Fußball
Bei einer weiteren Abendveranstaltung erläuterte der renommierte Soziologie Gerd Dembowski die „männliche Grammatik“ des Fußballs und seiner Fankultur und legte dabei einen besonderen Fokus auf Aspekte der Gewalt rund um Bundesligaspiele, die in einer regelmäßig wiederkehrenden Moralpanik medial dramatisiert und verurteilt wird. Auf letzteres Phänomen wurde im Rahmen einer anschließenden Podiumsdiskussion näher eingegangen. Namhafte Vertreter aus den Bereichen Fanszene, Bundesliga, Sozialarbeit, Anwaltschaft und Polizei diskutierten über Gewalt im Fußball, aber auch über mediale Dramatisierung und polizeiliche Kriminalisierung von Fans.
Namhafte Diskutanten
Martin Weberberger, Vorstandsmitglied des FC Wacker und der Faninitiative, bewies in seinem Statement anhand des Fallbeispiels Innsbruck, dass ein aufrichtiger Dialog zwischen Verein und Fans viele Probleme verhindern kann. Dies bekräftigte auch Armin Weber, der neue Sozialarbeiter der Fanarbeit Innsbruck. Mathias Kapferer, Anwalt und seit Jahren Berater der Faninitiative bzw. des Fanclubs Verrückte Köpfe in verschiedenen Bereichen, kritisierte einzelne polizeiliche Repressionsmechanismen gegenüber Fans und empfahl, mehr auf Prävention als auf Repression zu setzen.
Dr. Peter Jedelsky, Mitglied im für Stadionsicherheit zuständigen Senat 3 der Bundesliga, erinnerte an die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen im Bundesligabetrieb, sprach sich aber gleichzeitig dafür aus, Pyrotechnik im Stadion – soweit rechtlich möglich – zu legalisieren und ermunterte die anwesenden Fans dazu, bei Problemfällen mit rechtstaatlichen Mitteln für ihre Rechte zu streiten.
Einen Blick über die Grenzen wagte Thomas Gassler, seit 2010 europäischer Fanbotschaftskoordinator für die EM 2012 bei Football Supporters Europe, der seine Eindrücke von repressiven Polizeimaßnahmen im Vorfeld der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine schilderte.
Bernd Brunner, Kontrollinspektor und Hauptsachbearbeiter beim Szenekundigen Dienst am Landespolizeikommando Tirol musste seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion leider kurzfristig absagen. Insgesamt bot die Podiumsdiskussion eine gute Gelegenheit, um verschiedene Positionen abzuwägen und gleichzeitig zum Dialog anzuregen.